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Expedition 1957
Die Österreicher Fritz
Wintersteller, Marcus
Schmuck, Kurt
Diemberger und Hermann
Buhl, besteigen als erste den 8047 m hohen
Broad Peak. Diese Kleinexpedition ist ein Markstein in der Geschichte
des Höhenbergsteigens. Ohne Sauerstoff, ohne Hochträger
und ohne Basislagerhilfe erreicht das Team unter der Leitung von
Marcus Schmuck den Gipfel. Seither eine Orientierung, ein Maßstab
für alle, die einen modernen, sportlichen und fairen Besteigungsstil
an den höchsten Bergen der Welt praktizieren wollen.
   
Landung in Skardu am 13. April 1957 © Marcus Schmuck
Begegnungen mit Hermann Buhl bis zur Broad Peak Expedition 1957
Text von Marcus Schmuck
1951 war ich mit Dr. Walter Frauenberger
in der Sommerstein Westwand im Steinernen Meer. Er erzählte
mir von noch unerstiegenen 8000 Meter hohen Bergen im Karakorum.
Der Broad Peak als unerstiegener, schwerer Berg blieb mir seit dieser
Zeit in besonderer Erinnerung.
In den Jahren 1947 bis zum ersten
Treffen mit Hermann Buhl am 28. Juni 1952 in der Gaudeamus Hütte
im Wilden Kaiser, hatte ich 31 schwerste Kletterrouten und Erstbegehungen
hinter mir. Vor der Hütte tauschten Hermann und ich einige
der schwereren Felsklettertouren im Gespräch aus: Fleischbank
Südost Verschneidung, Fleischbank direkte Ostwand (Schmuck
Kamin, erste Begehung), Totenkirchl West, …
Hermann wusste von meiner Erstbegehung
der direkten Flesichbank Ostwand, in der er stürzte. Am 29.
Juni 1952 durchstieg ich die Mauk Westwand. Seine Frage war: „Wie
war’s?“. Ich beantwortete mit: „ War schon zu
machen“. Wir vereinbarten eine Bergtour im Juli dieses Jahres,
es sollte die Badile Nordost Wand werden. Hermann Buhl kannte ich
zu dieser Zeit noch zu wenig. Er durchstieg kurz vor der vereinbarten
Tour diese Wand allein.
Es folgten gemeinsame Touren mit
Hermann Buhl: Däumling Kante, Große Bischofsmütze
Südost Kante mit Sturz von Hermann, Große Bischofsmütze
direkte Nordwand, Karwendel – Laliderer Verschneidung und
die Kleine Drü Westwand in den Westalpen.
 
Offizielle Spendenquittung der Expedition
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Wir blieben
durch Jahre in Kontakt und beschlossen im Jänner
1956 in Hintermoos bei Maria Alm, eine Expedition in 1957 zu versuchen. Das Ziel sollte der immer noch unerstiegene
Broad Peak sein. Hermann sagte postwendend, er werde für
einen Teil der Ausrüstung sorgen. Meine Antwort war,
dass ich genügend Organisationserfahrung habe und für
die finanziellen Mittel sorgen werde.
Mit Fritz Wintersteller, einem
erfahrenen Bergrettungs-dienstmann und hervorragendem –
auch in Spitzbergen bewährtem – Bergsteiger, zuständig
für die Verpflegung und für die Medikamente, war
das Dreierteam nunmehr komplett.
Ein weiterer Salzburger, nämlich
Kurt Diemberger, bemühte sich, unterstützt von der
Sektion Reichenstein des Alpenvereins und dem Journalisten
Kurt Maix um eine Teilnahme an unserer Expedition. Es war
auch die Zustimmung der drei fixen Teilnehmer, Hermann Buhl, Marcus Schmuck, und Fritz Wintersteller einzuholen. Da die Geldmittel reichlicher als erwartet
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flossen, konnten wir uns einen vierten Teilnehmer leisten.
Wir diskutierten darüber einen Arzt mitzunehmen, beschlossen
aber dann doch, das Team aus rein bergsteigerischer Sicht zu formieren.
Es galt die Aufnahme des vierten
Teilnehmers ins Expeditionsteam zu beschließen. Aufgrund des
vorliegenden Tourenberichtes von Kurt Diemberger und seinen persönlichen
Bemühung über den Alpenverein und den Edelweissklub Salzburg,
und seinen oftmaligen Vorsprachen bei mir zu Hause, stimmten wir
dann seiner Teilnahme zu. Keiner der drei Fixteilnehmer kannte Kurt
näher und hatte jemals eine gemeinsame Bergtour mit ihm unternommen.
  
Erstes Treffen der vier Teilnehmer der Expedition am 21. 01. 1957 in Maria Alm
Am 21. Jänner 1957, anlässlich
des jährlichen Abfahrtslaufes des Edelweißklubs Salzburg,
trafen sich die vier Teilnehmer dann das erste Mal zu einem Organisationsgespräch
in Maria Alm. Kurt Diemberger wurde zur Organisation der Expeditionsapotheke
eingeteilt.
Es gab Schwierigkeiten beim
Expeditionsausschuss des Alpenvereins. Man wollte Hermann Buhl wegen seines Verhaltens
nach der Nanga Parbat Expedition nicht in unserer Mannschaft haben.
Für mich war Hermann Buhl eine gewisse Sicherheit, dass wir
den als schwierigen Berg bekannten Broad Peak auch erreichen würden.
Schließlich stimmte aufgrund meiner Intervention auch der
Alpenverein zu und wir bekamen die vom Alpenverein für Expeditionen
vorgesehenen Förderungsmittel.
Zwischenzeitlich bestätigte
der Alpenverein mich als Leiter der österreichischen ÖAV
Karakorum Expedition 1957. Mit Hermann Buhl kam ich dann überein,
dass er die bergsteigerische Leitung am Berg übernehmen sollte.
Hermann Buhl formulierte dazu eine schriftliche
Vereinbarung und machte die Lieferung der Ausrüstung von
meiner Unterzeichnung abhängig, obwohl Herr Otto Scheck (Sportscheck, München) bereits mit Schreiben vom 21. Februar 1957 die Ausrüstung den Teilnehmern zum Geschenk gemacht hatte.
 
Das Telegramm vom 26. 03. 1957
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Es waren weitere Hürden
zu nehmen. Mehrere Expeditionsmannschaften aus verschiedenen Ländern
bemühten sich in Pakistan im Frühjahr 1957 um eine Genehmigung
für die Besteigung des Broad Peak. Mit Hilfe der
österreichischen Bundesregierung, dem Land Salzburg und
der Regierung Pakistans, erlangten wir auch schlussendlich
mit Telegramm vom 26. März 1957 die Genehmigung für
den Broad Peak. Zu diesem Zeitpunkt war unser Expeditions-gepäck
bereits unterwegs nach Karachi.
Die formellen Hürden
waren also endlich genommen und das Abenteuer Broad Peak konnte
beginnen.
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Skil Brum (7.420 m) – Ein Siebentausender in dreiundfünfzig Stunden
Text: Fritz Wintersteller, 100-Jahr-Festschrift des Edelweiss Club Salzburg, Eigenverlag 1983
Nach vierstündigem Marsch schnallen wir in 5.400 Metern Höhe die Schier an und gelangen über unschwierige Gletscherhänge in einen etwa 6.000 Meter hoch gelegenen Kessel, wo wir im Schutz einer breiten Spalte unser kleines Sturmzelt aufschlagen. Über eine Stunde ziehen wir am Morgen des 19. Juni unsere Schispur zur Randkluft der Südostflanke des Skil Brum hinein und deponieren in 6.100 Meter Höhe unsere Schier.
Die Südostflanke präsentiert sich uns im unteren Teil als steile, teilweise blanke Eiswand, und in der oberen, mehr dem Süden zugewandten Hälfte als tief verschneiter Steilhang. War in der Eiswand infolge ihrer Steilheit Vorsicht geboten, so stand das Höherkommen in ihr in keinem Vergleich zu der mühsamen Schinderei im Schneehang. Hüfttief stecken wir meistens im
grundlosen Schnee und müssen unser ganzes Können und unsere ganze Kraft aufwenden, um uns in der Falllinie empor zu wühlen.
Endlich, nach zehnstündiger Quälerei, spüren wir in Gipfelnähe festen Fels unterm Schnee und wissen, wir haben gewonnen. Um sechzehn Uhr können wir uns auf dem sehr kühnen Gipfel zu unserer Erstbegehung gratulieren. Wir schauen hinüber zum Broad Peak, sehen direkt auf unsere Route und denken: 29. Mai, der Vorgipfel mit 8.030 Metern, am 9. Juni der grosse Erfolg am Hauptgipfel, 8.047 Meter, und heute der Skil Brum, 7.420 Meter hoch, wahrhaftig eine beachtliche Serie.
Der Absieg ist im oberen Teil problemlos, wir setzen uns bald in den Schnee und brausen ganz einfach den Hang hinunter. Im Eisabstieg gibt es infolge Steigeisenbruchs einige sehr bange Momente, ehe wir zu Schiern und Zelt stossen. Kommenden Morgen fahren wir so zeitlich ab, dass wir um neun Uhr zum Frühstück im Hauptlager sind.
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Fritz Wintersteller am Gipfel des Skil Brum
© Marcus Schmuck |
nach oben
Chogolisa das Grab Hermann
Buhls
Text von Marcus Schmuck
Fritz Wintersteller und ich sitzen
im Hauptlager bei der Erledigung von Schreibereien und anderen notwendigen
Kleinigkeiten. Dabei ziehen unsere Gedanken immer wieder zu unserem
Broad Peak und dem unbekannten, unbenannten Berg (7450m) zurück.
Sicher wurden die Hochlager abgebrochen und allmählich müssen
wir uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass es nun bald wieder
heimwärts geht.
  
Chogolisa © Fritz Wintersteller
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Hermann Buhl und Kurt Diemberger sind bereits 8 Tage unterwegs, und wollten
spätestens bis in 10 Tagen wieder zurück sein. Seit
mehreren Tagen meldet der Sender Rawalpindi Monsuneinbrüche,
das Wetter war ja auch dementsprechend unbeständig, starke
Schneefälle und beachtliche Windstärken kommen über
unsere Baltororegionen. Wenn auch noch nichts aus der Zeit
war, so begannen wir uns schon Sorge um die Kameraden zu machen,
noch dazu bei diesen Wetterverhältnissen. Obwohl müde
vom Packen, können wir noch keine Ruhe finden, es ist
auch noch die Post für den nächsten Postgang fertig
zu machen.
Als wir uns dann doch entschließen, uns in
den Zelten zu verkriechen, kommt plötzlich einer der
anwesenden Postläufer in das Zelt gestürmt (28.
6. 1957, 16.30 Uhr) und ruft erregt: „Shahib (Herr)!“
Ich blicke durch das kleine Zeltfenster und sehe Kurt Diemberger
ziemlich mitgenommen heranstapfen. „Da ist etwas passiert“,
stoße ich erregt aus und schon sind Fritz und ich im
selben Augenblick aus dem Zelt und eilen Kurt entgegen. Auf
unsere Frage antwortet Kurt mit heiserer Stimme: „Hermann
ist auf der Chogolisa in 7300m Höhe abgestürzt.“
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Erschüttert erfahren wir die tragischen
Umstände dieser Katastrophe. Hermann Buhl ist bei dem Versuch
den Chogolisa Peak gemeinsam mit Kurt Diemberger zu ersteigen, von
einem Schlechtwetter Einbruch überrascht, durch einen Wechtenbruch
vor Erreichen des Gipfels in 7300m Höhe über die mehrere
tausend Meter hohe Nordwand der Chogolisa abgestürzt. Aufs
schwerste beeindruckt bereiten wir uns zu einer Bergung vor.
Nach einer schlaflosen Nacht stehen
Fritz und ich um 5.00 Uhr morgens auf. Versorgt mit den nötigen
Bergungs und Biwakausrüstungen ziehe ich um 7.30 mit den 2
Postläufern als Träger los. Obwohl Kurt von der Chogolisa
her noch schneeblind ist, schließt er sich der Suchaktion
an, da er allein die Absturzstelle genau kennt, also folgen Fritz,
Kurt und der Verbindungsoffizier Qader Saeed, die uns bald einholen.
Erst geht es über Harsch zum Konkordiaplatz dann den Baltorogletscher
hinauf. Die Moräne ist sehr glatt und aper, wir kommen so gut
vorwärts, wir haben 20 km zurückzulegen und sind 10 Stunden
unterwegs. In der Nähe des Zeltplatzes der Internationalen
Himalaja Expedition (IHE) von 1934 stellen wir unsere Zelte auf
und beginnen sogleich den teilweise freiwerdenden Berg abzusuchen,
während Fritz von Kurt Diembergers 1. Lager dessen Ausrüstung
holt. Vorerst sehen wir nichts anderes als unzählige Lawinenbahnen,
die sich in dem ca. 6300m hohen Kessel unterhalb der Nordwand vereinen.
Endlich sehe ich eine Spur vom rechten unteren Rand des Lawinenkessels
wegführen. Nun können wir wieder hoffen, nachdem wir vergeblich
in diesen wilden Eisbrüchen Ausschau hielten. Sogleich wird
alles zurechtgelegt, was zu einer Bergung aus diesen steilen, zerrissenen
Eisflanken benötigt wird. Trotz des schlechten Wetters der
letzten Tage scheint es sich etwas zu bessern. Heute können
wir aber nichts mehr unternehmen, es bricht schon wieder die Nacht
herein.
Beim ersten Morgengrauen sind wir
auf den Beinen, müssen aber leider feststellen, dass die Absturzwand
vollkommen eingenebelt ist. Unentwegt donnern die Schnee und Eislawinen
herunter. Fritz und ich verlassen um 6.00 Uhr das Lager, während
die restlichen Teilnehmer im Lager verbleiben und uns bei einer
Bergung unterstützen sollten. Über die zweite Moräne
des oberen Baltorogletschers gelangten wir auf den vom Caperisattel
herunterziehenden Gletscher. Auf dem HarschSchnee kommen wir trotz
unserer Lasten gut weiter. Immer wieder unterbrechen wir, um an
der manchmal frei werdenden Wand hinaufzuspähen. Wieder sehen
wir nichts als die unzähligen Lawinenbahnen und darin senkrechte
Eisabbrüche von 10 bis 100m Höhe, die zwischen dem Kessel
und dem Gipfelgrat liegen.
  
Fritz Wintersteller sucht Hermann Buhl © Marcus Schmuck
Die gestern gesichtete Spur am rechten
unteren Rand des Lawinenkessels hat sich leider als eine Abrisstufe
eines Schneebrettes erwiesen. So suchen wir von den verschiedensten
Stellen aus die Nordflanke ab und hoffen immer noch, Hermann könnte
den Absturz überstanden haben und sich irgendwie aus den Schneemassen
herausgearbeitet haben. Wenn man dann aber die sich im Kessel stauenden
Lawinen sah, schien eine Rettung unmöglich, immer wieder donnern
neue Lawinen herunter alles unter sich begrabend und vernichtend.
Keuchend arbeiten wir uns den Eisbruch hinauf, ständig bedacht
über die umfangreichen Spalten und Schneebrücken sicher
hinwegzukommen, doch die Sorge um Hermann treibt uns weiter, obwohl
wir mit den Eis und Schneemassen schwer zu kämpfen haben.
Wir
bekommen einen immer besseren Einblick auf die vom Kessel wegführende
Terrasse und hinauf zum Vorgipfel der Chogolisa. Hin und wieder
verzieht sich der Nebel, sodass wir einen freien Blick auf die Wand
haben und nach Angabe Kurt auch in der Lage sind die Absturzstelle
von Hermann auszunehmen. Auf der bis zu 45° steilen Flanke die
noch dazu blankes Eis aufweist und den dazwischen liegenden senkrechten
Abbrüchen kann Hermann unmöglich liegen geblieben sein.
Die Annahme Kurts, Hermann könnte möglicherweise in der
Flanke liegen geblieben sein, ist unmöglich da die Lawinenbahnen
vom Grat bis zum Kessel durchziehen. So können wir auch nun
die ungefähre Sturzhöhe von 900 - 1000m feststellen. Wir
steigen bis zu einem erhöhten Punkt im Gletscherbruch auf,
so dass wir die Terrasse und den Kessel nach allen Seiten hin einsehen
können. Immer wieder behindern die ziehenden
Nebel unsere Sicht.
Noch hofften wir in den Kessel vordringen zu
können, als gegen Mittags bereits Überanstrengungs-erscheinungen
zu Tage treten, die Kräfte nachlassen, und nur der Wille vermag
uns noch vorwärts zu bringen. Dauernd kommen die Lawinen von
allen Seiten herunter, mehr und mehr hüllt sich die Wand in
Nebel ein und bald ist es mit unserer Sicht gänzlich vorbei.
Wir sind auf einer Höhe von ca. 5700m als wieder eine gewaltige
Lawine in den Kessel donnert, Eisblöcke bersten wie Geschosse
und jagen in den Kessel hinein. Die ungeheuren Massen türmen
sich auf das alte Lawinenbett.
Es ist mir immer bewusster, falls
wir den Kessel jemals erreichen, dies unser letzter Weg war, denn
daraus gibt es kein Zurück mehr. Ein Aufenthalt der bei einem
Sondieren der Lawinen dort erforderlich ist, würde den sicheren
Tod der Suchenden durch die ständig abgehenden Lawinen bedeuten.
Auch kam uns zu Bewusstsein, dass eine Bergung mit unseren Mitteln
aus diesen Schnee und Eismassen unmöglich ist, vorausgesetzt
dass keine weiteren Lawinen abgingen und ein Erreichen des Kesselbodens
ermöglichten.
Nach eingehender Beratung mit Fritz
kamen wir zu dem Schluss: Um weitere Opfer zu vermeiden, ist es
unter diesen Umständen nicht möglich diese Bergungsaktion
weiter voranzutreiben. Gerade an diesem Tag gingen 6 Lawinen die
Absturzbahn nieder, nun wissen wir nicht, welche Massen die 3 vorhergehenden
Tage dieselbe Bahn nahmen – es machte schließlich ein
Auffinden Hermanns unmöglich. So sitzen wir auf unserem Eisturm
und suchen immer wieder mit unserem Fernglas, soweit es die Sicht
zulässt, aber langsam umfängt auch uns der Nebel und es
beginnt zu schneien. Machtlos sitzen wir hier fest und wir können
uns noch immer nicht recht entschließen endgültig aufzugeben.
Allmählich siegt aber wieder
die klare Vernunft und da nun auch die letzte Hoffnung auf eine
Bergung zunichte ist, raffen wir uns zum Rückzug auf. Vollkommen
zerschlagen, wohl mehr innerlich, steigen wir ab, immer noch können
wir es nicht fassen, dass wir dieser Macht so hilflos gegenüberstehen.
In dieser Verfassung hätten wir einen Aufstieg über den
Eisbruch nie bewältigt, aber da waren wir noch voll von Hoffnungen.
Seilsichernd stolpern wir mehr den Eisbruch hinab, die Füße
wollen kaum mehr mit, ein furchtbarer Durst quält uns –
aber was ist das alles gegen die Hoffnungslosigkeit in unseren Herzen!
Hermann, unser Kamerad weilt nicht mehr unter uns. Der größte
Bergsteiger dieser Zeit blieb in den eisigen Fluchten der Chogolisa,
am rechten oberen Ende des Baltorogletschers. Wie oft bewundern
wir die Urkraft und Gewalt der Natur, schlägt sie aber mit
solcher Härte zu, sind wir zutiefst erschüttert. Nach
einer kurzen Rast mahnt uns Kälte und Schneefall wieder zum
Aufbruch.
Mühsam stapfen wir weiter,
Schneebrücken tragen uns nicht mehr, wir brechen ein und es
kostet uns den ganzen Willen, uns noch herauszuarbeiten. Unsere
Spannkraft lässt schon bedenklich nach, sollten wir noch an
einer Spalte scheitern? Als wir endlich den Moränenrand erreichen,
fallen wir zu einer unfreiwilligen Rast nieder, dann geht es auf
der sicheren Moräne dem Lager zu.
Die Kameraden können
es nicht fassen, dass alles Suchen vergeblich war. Auf einer erhöhten
Stelle des Lagerplatzes der IHE tragen wir schweigend Steine zusammen
und schlichten sie sorgfältig auf, Fritz ritzt mit dem Eishaken
die Worte: „Hermann Buhl, abgestürzt 27. 6. 1957 Chogolisa“ ein. Sowohl Begleitoffizier und Träger stehen uns hilfreich
zur Seite bei der Errichtung dieser Gedenkstätte – auch
sie wollen es nicht glauben, dass Hermann Sahib nicht mehr mitkommen
sollte.
  
Andacht an der Hermann Buhl Gedenkstätte © Fritz Wintersteller
Wie meistens in dieser letzten Zeit
klart das Wetter gegen Abend etwas auf, die Sonne steht bereits
tief im Westen. Unwirklich erglänzt der Mustagh Tower, der
Mitre Peak und weiter im Nordwesten unser stolzer Unbenannter. Die
Sonne sendet ihre letzten Strahlen, als wir die Steintafel gemeinsam
aufstellen. Es herrscht Totenstille um die kühle Stätte
und ich verabschiede mich im Namen meiner Kameraden von Hermann
mit den Worten:
„Lieber Hermann, es ist für uns nicht
leicht von dir Abschied zu nehmen, du warst uns ein guter Kamerad.
Wir kennen deine letzten Züge nicht, mögen es dir deine
geliebten Berge nicht schwer gemacht haben. Ruhe im Schosse der
Chogolisa, wir vergessen dich nicht wir kommen wieder!“
Dann war jeder für sich allen,
allein mit seinem Schmerz und der Trauer um den toten Kameraden.
Inzwischen fielen immer tiefere Schatten auf uns herab, nur noch
die höchsten der Gipfel leuchten, bestrahlt von der unter dem
Horizont stehenden Sonne. Auch die Chogolisa enthüllt ihre
drohend weißen Wände, erglänzend von den letzten
Sonnenstrahlen. Ich kann meine Blicke nicht von der Nordwand lösen,
bis die Dämmerung alles verwischt.
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